Donnerstag, 30. Mai 2013

Warum so lange?

Diese Frage hat mir nicht nur meine Freundin T. gestellt, sie kam auch von einigen von Euch.

Warum haben wir 2,5 Jahre gewartet, bis wir uns an eine Kinderwunsch-Klinik gewandt haben?

Um gleich mal eins klarzustellen: nicht "wir" sondern ich habe solange gewartet.
Mein Schatz wäre schon vorher mit mir gegangen. Klar hat er nicht gedrängt, aber er hat auch nicht verzögert.

Also warum?
Okay, Hosen runter : ich hatte Angst.

Auf der einen Seite wurde der Kinderwunsch immer größer, die Enttäuschung immer mächtiger - die Panik überwog trotzdem.

Wovor genau?
Ich nenne Euch einfach mal die Punkte in ungeordneter Reihenfolge, wie sie mir in den Kopf kommen:
  • die KiWu ist die letzte Station. Wenn es hier nicht klappt - dann hilft nur noch beten oder aufgeben. 
  • die Hoffnungen steigen. Und dadurch kann ich auch wieder tiefer verletzt und enttäuscht werden. An das monatliche Hibbeln-Hoffen-Bangen-Weinen habe ich mich eigentlich schon gewöhnt. Nun kommt eine neue Tiefe dazu...
  • ich muss mir final eingestehen, dass wir ein Problem haben. Bisher ging es mir mit  "ein Sommerkind ist eh viel schöner..."  und ähnlichem Selbstbetrug  ganz gut.
  • Ich habe bisher immer alles geschafft. Mit Fleiss, mit Arbeit, mit Glück, mit Organisation. Und nicht nur einfach so "geschafft", sondern es auch gut geschafft. Und jetzt scheitere ich an dem Natürlichsten der Welt. Was jede Sumpfralle schafft, die schwanger wird sobald ihr Höschen um die Knöchel kreist. Und egal, wie sehr ich mich bemühe, meine bisherigen Erfolgsstrategien fruchten nicht. 
  • Ich weiss nicht, was für Diagnosen auf uns zukommen. "Es klappt nicht" klingt freundlicher als Eileiterverstopfung, Endometriose und sonstige Krankheitsbilder, die auf uns zukommen können. Bisher zum Glück nicht eingetroffen - aber das konnten wir vorher ja nicht wissen. Und wer weiss, was noch kommt?
  • Was für Methoden werden für uns in Frage kommen? Bis wohin sind wir bereit zu gehen? Was ist, wenn einer von uns weiter gehen möchte als der andere? Was ist, wenn letztendlich das Geld zum Abbruch zwingt? Wird die ICSI zur Sucht? Wenn man schon so viel Mühe und Geld investiert hat, gibt man dann einfach so auf?
  • Ich hasse Fremdbestimmung. Ab jetzt gibt die Ärztin vor, wann ich welche Termine habe. Zur Zeit ist das ja noch moderat. Aber was ich in einigen Blogs gelesen habe - da sträuben sich mir die Haare. Keine Planungen mehr machen können, da  man nicht weiss, ob die Eizellen morgen, übermorgen oder garnicht eingesetzt werden können. Wie heute: "Naja, dann kommen Sie am Mittwoch nochmal zum Ultraschall." Ah ja, natürlich. Der einfache Weg dauert 40 Minuten, die Warterei, die Untersuchung. Damit wären wir jetzt schon beim übernächsten Punkt...
  • Wie verändern die Medikamente, die Hormone mich? Werde ich ein emotionales Wrack? Gehe ich auch auf wie ein Hefekloß, so dass ich aussehe wie im 8.Monat?
  • Ich werde meinen Arbeitgeber ins Boot holen müssen, früher oder später. Wir sind ein kleiner Betrieb, ich brauche seine Rückendeckung für die spontanen Termine. Dadurch wird ein äußerst privates und intimes Problem zu einem öffentlichen. Auch wenn ich meinen Kolleginnen eventuell langwierige Zahnprobleme vorhalte - es wissen damit Menschen ausserhalb des Freundes- und Familienkreises davon, die ich nicht freiwillig eingeweiht habe.
  • Wir müssen vertrauen. Unser Schicksal (und unser Geld) in die Hände der dortigen Ärzte legen. Hoffen, dass der von ihnen vorgegebene Weg der richtige ist. 
Und das waren sicherlich noch nicht alle Punkte gewesen.

Alles in allem war mir schon länger klar, dass unser Weg wohl in die KiWu führen wird.
Aber ich war noch nicht bereit dazu.
Ich musste erst viele kleine Schritte gehen, alternative Wege ausprobieren (und der Kindlein-komm-Tee schmeckt wirklich wie Karnickel-Heu!).

Dabei ist das eine Einstellung, die nicht richtig zu mir passt.
Ich bin eine rationale und relativ nüchterne Person. Was getan werden muss, das muss halt geschehen.
Mit meinen anderen Krankheiten bin ich auch bei Spezialisten - selbstverständlich!
Aber hier ist alles anders. Das geht tiefer unter die Haut, das berührt meine Seele.
Besonders hier finde ich es irgendwie strange, diesen Herzenswunsch mit der kühlen Diagnostik zu betrachten und quasi unter dem grellen Neonlicht zu behandeln.
Mein persönlichstes und intimstes Problem, der Grund für so viele unglückliche Tage (im doppelten Sinne), wird nun von fremden Menschen betrachtet, für die es das tägliche Geschäft ist.
Klar, irgendwo tröstlich. Aber auf der anderen Seite auch entwürdigend.

Waaaah, ist das irgendwie verständlich und nachvollziehbar?

Macht´s gut,
Eure seelen-gestrippte Nora

9 Kommentare:

  1. Ja, meine Liebe, das ist es.
    Und einige Dinge würde ich sofort unterschreiben.

    Ich bin jedoch überzeugt davon, und das liegt daran dass alle anderen Wege irgendwo ins nichts führen, dass es die einzige richtige, echte Chance ist, sich in die Kiwu zu wagen. Und ich wünsche euch dafür alles erdenklich gute - wir alle haben es verdient.

    Drücker,
    einspluseins

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    1. Das ist richtig!

      Es ist eine echte Überwindung - aber eben auch eine echte reale Chance!

      Ach, ich freue mich für jede von uns, die ihren Blog in die Schwangerschafts-Ecke verschieben kann!
      Pass auf, bald sind auch wir dran!

      Lieben Gruß,
      Nora

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    2. Ja sind wir, und dann können wir es nicht glauben!

      Übrigens, um wenigstens eine Frage deiner Fragen beantworten zu können: Ja, ich bin aufgegangen wie ein Hefekloß. Nagut, egal. Eine Blogschwester hat es mal treffend formuliert: Wir möchten keine Schönheitswettbewerb gewinnen, sondern ein schwarz-weiss foto der ganz besonderen Art.

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    3. Da bekommt der Satz : "Ich habe heute (k)ein Foto für Dich" eine ganz neue Bedeutung... ;-)

      Ich habe Deinen Beitrag dazu gelesen und fand ich wirklich besonders und sehr mutig!

      Auch das ist ein Aspekt dieser Kinderwunsch-Geschichte, der genauso natürlich dazugehört wie Sex-nach-Plan und andere Nettigkeiten.

      Eine weitere Konsequenz, die wir akzeptieren, damit unser Traum wahr wird.

      Und: natürlich würde auch mich das in keinster Weise abhalten! ;-)

      Lieben Gruß,
      Nora

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  2. Liebe Nora,

    ich kann das sehr gut nachvollziehen. Bei uns hat es 3 Jahre gedauert bis zum ersten Termin in der Kinderwunschklinik. Das lag aber weniger an mir, ich hatte ziemlich schnell das Gefühl, das was nicht stimmt, als an meiner Gyn. Die mag für 08/15-Damen vielleicht kompetent genug sein, mein PCO hat sie, trotz eindeutiger Anzeichen, nicht erkannt. Zwei lange Jahre. Da ging ihr endlich wohl doch ein Licht auf und sie hat mich an eine Endokrinologin verwiesen. Auf den Termin musste ich 5!!! Monate warten. Dort wurde ich das erste Mal ernst genommen. Was für ein Gefühl! Dann hat es fast noch mal 2,5 Monate gedauert, bis die ganze Diagnostik abgeschlossen war. Seitdem geht es endlich voran.

    Die Kinderwunschklinik ist für mich eine wahnsinnige Entlastung (jedenfalls momentan). Ich bin, auch wenn ich hibbelig auf die Mens warte, damit ich wieder mit Clomi starten kann) emotional entspannter als je zuvor.

    Was die Alternativen angeht, da habe ich auch so einiges probiert *g* - eine dreiviertel Dose Kindlein-komm-Tee steht auch noch in meinem Küchenschrank. Und du hast total Recht, er schmeckt wie Karnickel-Heu!

    LG
    ZweiLinien

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    1. Oh mein Gott, das gibt es doch nicht!
      Ich bin jetzt kein Fachmann - aber die Diagnose der PCO scheint mir jetzt nicht ganz sooooo schwierig, oder?
      Vor allem, wenn es mein Fachgebiet ist.

      Ich finde das immer sehr schade - wenn dadurch so viel Zeit verloren geht.

      Aber wie auch immer - jetzt geht es ja voran und Du bist bei kompetenten Fachkräften.

      Und zum Tee: es ist echt schlimm! Besonders, wenn er mal 10 Minuten gestanden hat und sich diese Haut bildet *brrrrr* ;-)

      Lieben Gruß,
      Nora

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  3. Liebe Nora,

    auch ich finde deine Gründe absolut nachvollziehbar. Wir sind zwar "relativ spontan" in die Kinderwunschklinik gegangen - aber ich dachte eher an ein paar kleine harmlose Hormonpillen als an eine IVF. Demnach habe ich dann bald 2 Jahre gebraucht, bis ich mich das nächste Mal hingetraut habe :-) Denn die Ängste, die du alle geschildert hast, kamen bei mir dann mit voller Wucht nach dem Info-Gespräch.

    Aber jetzt wird alles gut :-)

    LG

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  4. Also ganz ehrlich - ich kann alle genannten Gründe gut nachvollziehen. Und im Zweifelsfall würden mir auch noch einige mehr einfallen. Ich habe das Glück, unter diesem Themenkreis nicht gelitten zu haben, aber ich komme (auch) aus dem medizinischen Bereich, und ich habe schon öfter miterlebt, wie dicht Glück und Leid in dieser Hinsicht zusammen liegen.

    Aber das mit "jeder Sumpfralle, die spontan und sofort..." stimmt so sicher auch nicht. Jedes Geschichtsbuch kann Dir ein Lied davon singen, wie ganze Dynastien großer Herrscher und deren -innen "ausgestorben" sind, weil ein Kinderwunsch nicht zustande kam. (Und da wird das "gemeine Volk" völlig unberücksichtigt gelassen.) Sicher war "damals" auch eine andere Zeit, und es war eben doch nicht alles besser - die medizinische Versorgung z.B. - aber Du hast die Chance dieser zusätzzlichen Hilfestellung, bevor nur noch Beten hilft. Und Du solltest diese Chance dann ergreifen, wenn Du dazu bereit bist.

    Mit den besten Wünschen für den vor Euch liegenden Weg...

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  5. Ich sage nur: Das ist sowas von verständlich und nachvollziehbar!

    Alles Liebe, Lene

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